Heimatverein Immenstaad

* 01.01.1937 in Überlingen  |  † 22.03.2021 in Immenstaad

Helfrid (schwedischer Frauenname) wurde am 01.01.1937 als älteste von 7 Kindern in Überlingen geboren.

Helfrid 1937
Helfrid 1937 (Büttelbronn)

Ihre Eltern Helga Clauss geb. Haeckel (eine Enkelin der Naturforschers Ernst Haeckel) und Helmut Clauss zogen Anfang der 50er Jahre nach Immenstaad.

Helfrid Mutter Schwester
Helfrid mit Mutter Helga und Schwester Armgard

Der Vater hatte eine Stellung im Hardthof als Gärtner angenommen: Im Einklang mit der Natur arbeiten und leben; Obst und Gemüse nach den Lehren Rudolf Steiners ziehen und ernten. Biologische Landwirtschaft leben, zu einer Zeit wo das noch nicht „Mode“ war.

In unmittelbarer Nähe des Hardthofs wurde ein Grundstück erworben und ein Haus gebaut: Das kleine gelbe Häuschen am Kippenhorn 16 mit dem schönen Garten, das fast allen Immenstaadern gut bekannt ist.

Dort wollten die Eltern ihren Lebensabend verbringen und ihren Kindern ein Heim bieten. Doch das Glück währte nicht lange. Im Dezember 1960 starb Helfrids Mutter Helga überraschend mit gerade einmal 50 Jahren. Der Vater beorderte seine älteste Tochter aus ihrem Beruf als Landwirtschaftshelferin zurück, sie sollte die Stelle der Mutter einnehmen und die jüngeren Brüder mit erziehen. Eine schwere Aufgabe für ein 23 jähriges Mädchen.

Helfrid Armgard Ortrun
Die Schwestern Helfrid, Armgard und Ortrun Ende der 50er Jahre

Die Zeit ging ins Land. Helfrids Brüder Diethard und Rüdiger hatten Berufe ergriffen und waren, wie ihre beiden älteren Schwestern Armgard und Ortrun ausgezogen. Helfrid lebte nun allein mit dem Vater, versorgte den Haushalt und arbeitete im Hardthof und in den umliegenden Bauernhöfen mit. Vor allem bei Theodor und Armella Dikreuter.

Die attraktive junge Frau fiel auf. Besonderen Eindruck hinterließ sie beim Untermieter der Familie Dikreuter, Heinrich Weiler - ein Schlosser bei Dornier, 63 Jahre alt, fleissig, sparsam, intelligent. Die beiden lernten sich kennen und im Oktober 1966 führte Heinrich seine Helfrid in der kleinen evangelischen Kirche zum Traualtar.

Hochzeit
Hochzeitstag: Vater Helmut Clauss, Helfrid und Heiner

Ein seltsames Trio: Der Schwiegersohn, kahl und dicklich, gerade 11 Jahre jünger, als der Vater Helmut; dazwischen die strahlende glückliche junge Braut.
Warum heiratet eine junge Frau einen älteren Mann?
„I wollt immer an‘ Mann , mit dem i schwätze ka, der mir was zeigt und der nit nur mit Häusle baue und Kinder daher kommt. Des wollt i ned und mit dene junge Kerle konnt i nie so gued schwätze, wie mit meinem Heiner“.

Und Heiner war stolz auf seine hübsche Frau. Für sie war ihm nichts zu teuer. Fein gekleidet sollte seine Frau sein. Wie gut standen ihr die schönen Dirndl und der feine Lodenmantel. Ihr Mann gab ihr die Freiheit und die Sicherheit die sie brauchte. Helfrid versorgte Haus und Vater, arbeitete bei Dikreuter, Heiner kümmerte sich um das Haus. Er war ein geschickter und gründlicher Handwerker, das Haus wurde ein Schmuckkästchen.

Die Ehe blieb kinderlos. Die Schwester Armgard, die in der Nähe von München im Hause der Grosseltern lebte war oft krank und vertraute ihre 3 Kinder der großen Schwester an. Selbstlos nahm Helfrid die Geschwisterkinder auf, oft über Monate. Das jüngste Mädchen betrachtete sie bald wie ein eigenes Kind, das ihr bis zu ihrem Tod eng verbunden blieb.

Helfrid Christian Helmut
Helfrid mit Neffe Christian und Vater Helmut 1970

Nichte Mechthild
1973 mit Nichte Mechthild

Aus dem Haus wurde nach dem Tod des Vaters 1975 eine Frühstückspension. Die Gäste liebten das Haus mit dem schönen Garten und kamen gerne. Es entstanden Freundschaften, oft saß man abends zu einem Glas Wein zusammen. Das gelbe Haus wurde ein Treffpunkt für die Familien, die ihre Ferien dort verbrachten und mit Helfrids Schwesterkindern unvergessene Sommer erlebten.

Am 14.03.1983 starb Heiner überraschend an den Folgen eines Herzinfarktes. Er hinterließ eine junge Witwe mit gerade einmal 47 Jahren. Mit Hilfe der Familie, Freunden und Nachbarn kämpfte sich Helfrid in ihr neues Leben ohne ihren geliebten Heiner zurück. Sie trauerte lange um ihn, vergaß ihn nie und verschloss sein Andenken in ihrem Herzen.

Helfrid war neugierig auf das Leben und seine vielen Facetten. Sie gab sich nie mit einfachen Stichworten oder Fakten zufrieden, Nein: Sie wollte mehr wissen, diskutierte, stritt, bohrte und stichelte. Welch grosse Politikerin wäre sie geworden, welch berühmte Philosophin.

Im Dezember 1983 stieg Helfrid in ein Flugzeug und erfüllte sich einen lang gehegten Traum: In Israel auf den Spuren von Jesus Christus zu wandeln. Von da an war ihre Reiselust ungebrochen, 2x im Jahr gönnte sie sich Wander- und Studienreisen von denen sie erfüllt und glücklich zurückkehrte.

Die kleine Kirche in Immenstaad war ihr eine zweite Heimat. Viele Jahre lebte sie ihren Beruf, ihre Berufung als Kirchendienerin. Ihre Liebe zu diesem Ort übertrug sie auf ihre Nichten und Neffen. Jenen Ort wo die Kinder Glocken läuten durften, das gute Abendmahlsbrot vom Bäcker Raschke in Würfelchen schneiden und auf dem goldenen Teller anrichten durften. Das Anstecken der Lieder auf der Tafel und oben auf der Empore übten unter Gelächter und Gestichel die drei Organisten: Der humorvolle, fröhliche Herr Tanner, die unvergessenen Herren Dr. Neuland und Weiss.

Helfrid war ein einzigartiger Mensch, hat ihre Werte immer treu vertreten und ihre Ausstrahlung war in ganz Immenstaad und Kippenhausen vielen ein Beispiel. Ihr Wissen über Umweltschutz und Landwirtschaft kam sogar Entwicklungshelfern in Madagaskar zu Gute.

Lebensmittel wegwerfen war ihr ein Gräuel, eine große Verschwendung. Helfrid, die „Mutter“ des Containerns. Eine Vorreiterin. Sie sammelte die übriggebliebenen Lebensmittel von den Supermärkten, verteilte diese im ganzen Dorf und im Flüchtlingsheim, wo man sie liebevoll Frau Paprika nannte.

Ihre Liebe zu den Menschen, und vor allem Kindern, denen sie Mutter, Tante und Gefährtin sein konnte und in deren Herzen sie unvergessen bleibt. Deren Werdegang sie mit großem Interesse verfolgte und die sie mit einfachen Worten auf den richtigen Pfad oder wieder auf die Füße stellte, wenn sie nicht mehr weiterwussten.

Erwähnen wollen wir hier noch ihre grosse Liebe zu Tieren. Die unzähligen Katzen die in und um ihr Haus wohnten, allen voran der unvergessene Kater Baileys.

Katze

In den Erinnerungen darf auch die Eselin Esi vom Hardthof nicht fehlen.

Die kleine Zwergeseldame, die wie ein Hund auf Schritt und Tritt Helfrid folgte, im Hof schlief und in den umliegenden Gärten graste. Die beiden waren ein unverwechselbares Team, viele Immenstaader können sich noch gut an das Bild erinnern: Die Frau auf dem Fahrrad oder zu Fuß, hinter ihr trottete die brave Eselstute.

Esel
© Petra Müller

Helfried, die kleine tapfere Frau, die doch so groß und strahlend war. Sie konnte den Sonnenschein mit sich führen, aber auch das Gewitter mitbringen. Sie war einzigartig, ein unverwechselbares Unikum.

Ein paar Anekdoten möchte ich hier erzählen:

  • Helfrid, die plötzlich bei den verdutzten Nachbarn im Garten stand und sie darüber belehrte, wie sie ihre Tiere zu versorgen, den Müll richtig zu trennen, oder die Gartengeräte zu säubern hätten.
  • Wehe der Nachbar hatte Abends sein Hoflicht nicht ausgemacht! Da musste er schon damit rechnen, dass Helfrid im Nachthemd aus dem Haus schoss und ihn wie einen Schulbuben ob einer solchen Ungehörigkeit tadelte. Gewirkt hat es nicht, er vergisst es immer noch.
  • Das gleiche Schicksal ereilte Gäste, wenn sie es wagten, erst um 23 Uhr nach Hause zu kommen. „Um 10 geht man ins Bett, da hat man zu Hause zu sein und „umandandschwänzeln“ des macht ma ned“, besonders wenn besagte Herren oder Damen am nächsten Tag sich wieder in der Yachtschule von Uli Storzbach einzufinden hatten, um die hohe Kunst des Segelns zu lernen.
  • Wahlveranstaltung in Immenstaad: Wie sie da um die Tische der einzelnen Parteien herumwuselte und die hoffnungsvollen Kandidaten mit freundlichen Worten „Ah... du schwätzt ja blos. Des mach‘sch du eh ned“ aufmunterte. Nachdem diese Tat vollbracht war blieb sie schliesslich beim Kandidaten einer speziellen Partei stehen und stopfte frech die Werbegeschenke mit beiden Händen in eine mitgebrachte Tüte. Dann sah Sie dem verdutzen Kandidaten böse an. „So, des krieg I jetzt, und woisch was I damit mach? Des krieget die Flüchtlinge. Hoi... du bisch ja so dermaße bled, dir g‘herts nit anderscht."

Helfrid wird vielen Immenstaadern in guter Erinnerung bleiben. Sie war immer unterwegs, auf ihrem geliebten Fahrrad oder zu Fuß. Später, als die Kräfte nachließen im Rollator oder im Rollstuhl in Begleitung der grossartigen Pflegekräfte. Liebevoll betreut von ihren Nachbarn und dem bescheidenen und fleissigen Asylbewerber Haruna der in ihrem Haus eine Zuflucht fand.

Am Morgen des 22. März 2021 durfte Helfrid nach einer langen Krankheit ihre irdischen Fesseln lösen. In ihrem weissen Kleid mit der blauen Schleife, dass ich ihr genäht hatte, brach sie zu ihrer grossen Reise ins Licht auf, in eine Welt ohne Schmerzen und Enge.

Am 9. April 2021 wurde sie zu Grabe getragen. Sie wünschte sich eine fröhliches Begräbnis, die Weggefährten und Freunde sollten in heller Kleidung kommen. Und ja kein Schwarz, das wollte sie nicht. Das musste ich ihr versprechen.

Bei strahlenden Sonnenschein nahmen wir an diesem schönen Frühlingstag in einer besinnlichen Runde – Covid bedingt – im kleinsten Kreis von ihr Abschied. Always look on the bright side of life! Man hatte das Gefühl sie wäre dabei gewesen.

Sie fehlt! Mit ihr ist eine grosse Persönlichkeit, ein Stück Immenstaad gegangen.

Helfrid

Darum bin ich, ihre Nichte sehr dankbar, ihr Andenken im Heimatblatt lebendig halten zu dürfen.

Mechthild Hauck, München-Immenstaad in lieber Erinnerung an ihre geliebte Tante Helfrid

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Thomas Schmidt (1. Vorsitzender)
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