Heimatverein Immenstaad

* 24.08.1694 in Legau bei Memmingen  |  † 12.05.1760 in Immenstaad


Bildhauer des Rokoko in Oberschwaben und am Bodensee

Die letzten 9 Jahre seines Lebens verbrachte er in Immenstaad

Dr. Adolf Schahl führt in seinem Buch, einer Biographie über Dominikus Hermenegild Herberger folgendes aus:

Der Süddeutsche Barock zeigt sich dem Kunstfreund, auch dem subtilen Kenner, wieder und wieder von faszinierender Spannweite und erschließt dem Forscher oft unerwartete Aspekte. Gerade die Jahrzehnte des Spätbarock von 1710 bis 1740, bis zum Übergang ins Rokoko, ist von einem schier unerschöpflichen Reichtum gekennzeichnet; sie geht im Bauwesen einher mit der Ablösung der zugewanderten Vorarlberger Meister durch einheimische, vom Handwerklichen aufgestiegene Meister, die um 1740/1750 durch den von kongenialen Benediktineräbten berufenen Johann Michael Fischer aus München von neuem erheblich motiviert werden.

In dieser bautenfrohen Zeit konnte die Ausstattung gewaltiger Raumfolgen ebenso wie die kleiner, intimer Bauschöpfungen “bis ins letzte Dorf“ nur durch eine Schar sicherer und einander zuarbeitender Bildhauer, Maler und Schreiner gewährleistet werden. Die Äbte von Wiblingen und Ochsenhausen und zahlreiche andere geistliche und weltliche Bauherren zwischen Ehingen und Weißenhorn im Norden, zwischen Lindau und Radolfzell im Süden hatten das Glück, in Dominikus Hermenegild Herberger (geb. 1694 Legau, gest. 1760 Immenstaad) einen genialen Bildhauer für ihre oft ehrgeizigen Projekte zur Verfügung zu haben. Herberger steht als Mittler zwischen Spätbarock und Rokoko offenbar zwischen großen Meistern des 17. Jahrhunderts und Vollendern des Rokoko, wie etwa in Oberschwaben dem Genie des Joseph Christian aus Riedlingen. Herberger ist ein stilbildender Künstler, der offenbar auch als einer der Lehrer des Joseph Christian gelten darf.

Die plastische Ausstattung des Wiblinger Bibliotheksaals mit lebensgroßen allegorischen Figuren (1744/45) darf ebenso wie der fast gleichzeitig unter erstmaligem Verzicht auf Säulenaufbau entstandene Benediktsaltar in Ochsenhausen (1743) als einer der Meilensteine schwäbischer Kunst des 18. Jahrhunderts gelten.

Herbergers Lebensdaten waren bislang unbekannt. Im Stift Kemptener Markt Legau bei Memmingen geboren, ließ sich der „fertige“ Meister im fuggerschen Dietenheim nieder, zog später 1741/42 nach Ochsenhausen, wo Herberger seinen bedeutendsten Auftraggeber fand. 1748 bemühte sich Herberger erfolgreich bei Casimir Anton von Sickingen, Fürstbischof zu Konstanz, um das Prädikat des Hofbildhauers und Hofbefreiten. Im Bodenseegebiet entstehen noch zahlreiche bedeutende Arbeiten in Holz und Stein, darunter auch das von Rocaillen umspielte Epitaph des Künstlers in Immenstaad, das zu den reizvollsten Selbstzeugnissen barocker süddeutscher Künstler gezählt werden darf.

Der Verfasser, Dr. Adolf Schahl, hat sich als langjähriger Mentor der „Ochsenhausener Pfingsttage“ des Schwäbischen Heimatbundes in engagierter Weise die Erforschung der reichen Kunstschätze von Stadt und Herrschaft des einstigen Benediktinerländchens Ochsenhausen zum Ziel gesetzt. Mit dem vorliegenden Werk gelingt Adolf Schahl aufgrund seiner in nahezu fünf Jahrzehnten erworbenen Kennerschaft die Wiederentdeckung eines großen Meisters der Skulptur. Die Geschichte des oberschwäbischen Barock gewinnt dadurch entscheidend an Transparenz.

Das lesenswerte Buch von Dr. Adolf Schahl hat die ISBN 387437114x

Epitaph Herberger 1755
Immenstaad, Pfarrkirche St. Jodokus. Epitaph für Dominíkus Hermenegild Herberger, † 12. Mai 1760, seine erste Frau Maria Anna Vogt, † 12. April 1735 und seine zweite Frau Valentina Euphrosina Troll (Todesdatum unbekannt). Sandstein, etwa um 1755


Pius Bieri führt über Herberger folgendes aus:

Sein Leben
Als zehntes Kind des Bartholomäus Herberger und seiner Ehefrau Anna Maria Müfflin wird er am 4. August 1694 in Legau getauft. Sein Vater ist in diesem südlich von Memmingen gelegenen fürstkemptischen Dorf aufgewachsen und hier Schulmeister und Mesner. Seine Mutter stammt aus Kempten. 1718 heiratet der inzwischen ausgebildete Bildhauer Maria Viktoria Vogt aus Dietenheim.[1]1719 nimmt das Ehepaar am Wohnort der Ehefrau Wohnsitz.[2] In Dietenheim werden ihm zwei Kinder geboren.[3] Sein Werkstatt arbeitet für nahe Pfarrkirchen in Dietenheim, Au, Schwendi, aber auch ins entferntere Ehingen und Nasgenstadt. Hier ist es der Vikar David Werrer, der Herberger über Jahre Aufträge erteilt.[4] 1741 verlegt er Wohnsitz und Werkstatt nach Ochsenhausen. Hauptauftraggeber ist jetzt Abt Benedikt Denzel von Ochsenhausen. Abt Meinrad Hamberger von Wiblingen wird ihn aufgrund der Empfehlungen aus Ochsenhausen als Gestalter seiner Bibliothek berufen. Er arbeitet in Ochsenhausen mit Lehrbuben und mindestens zwei Gesellen, wie aus Amtsprotokollen wegen derer nicht immer dorfkonformen Lebensweise ersichtlich ist. Trotz der guten Auftragslage zieht er 1748 nach Meersburg. Der Grund scheint das vom Konstanzer Fürstbischof Casimir Anton von Sickingen zugestandene Privileg als fürstbischöflicher Hofbildhauer und Hofbefreiten zu sein und kaum das Dorfgeschwätz wegen seiner Gesellen oder ein Streit mit dem Ochsenhausener Rat wegen Steuern. Sein Arbeitsgebiet ist jetzt das Fürstbistum Konstanz und die angrenzenden Orte am Bodensee. Die Suche nach Wohnung und Werkstatt gestaltet sich hier schwierig und der neue Fürstbischof Freiherr von Rodt hilft ihm nicht, sodass er um 1751 Wohnsitz in Immenstaad nimmt. Die Winzergemeinde am Bodensee ist nur eine Wegstunde von Meersburg entfernt, aber ausserhalb des Hochstiftes Konstanz gelegen.[5]1755 stirbt hier seine erste Frau. Er heiratet ein zweites Mal. Von ihr, Maria Valentina Ephrosinia Troll, sind keine Lebensdaten bekannt. Dominikus Hermengild Herberger stirbt nach zweijähriger Bettlägerigkeit am 12. April 1755 im Alter von 66 Jahren in Immenstaad. Ein von ihm nach dem Tod seiner ersten Frau selbst geschaffener Epitaph befindet sich in der Pfarrkirche von Immenstaad.

Sein Schaffen
Seine ersten gesicherten Werke sind 1720 bis 1723 in Dietenheim, Au und Oberkirchberg zu finden, seine letzten 1755 in Immenstaad. Er arbeitet mit wenigen Ausnahmen für Pfarrkirchen und Klöster. Fast ausschließlich sind seine Werke Holzplastiken. In den 25 Jahren Schaffenszeit als selbstständiger Bildhauer ist die Entwicklungsstufe vom Spätbarock zum Rokoko abzulesen. Mit den schwebenden Engeln auf der Kanzel der Pfarrkirche von Nasgenstadt zeigt er sich schon 1730 als Meister des beginnenden Rokoko. Die Reinstetter Tabernakelengel von 1746 zählen zu den besten Arbeiten der süddeutschen Rokokoplastik. Höhepunkt seines Schaffens bildet die plastische Ausstattung des Bibliothekssaals der Benediktinerabtei Wiblingen, den er 1744 und 1745 mit zehn lebensgroßen allegorischen Frauengestalten und ornamentalem Rokoko-Schnitzwerk versieht. Die polimentweiss gefassten Figuren von großer Grazie werden mit ihren abwehenden Gewändern und ausladenden Gebärden von Herberger in die rot- und blaumarmorierten Säulen hineinkomponiert, der Saal wird zum Gesamtkunstwerk.

Sein künstlerisches Umfeld
Die Arbeiten in der Wiblinger Bibliothek sind erst seit 1967 durch einen Aktenfund in Ochsenhausen als Werk Herbergers gesichert. Die Unsicherheit der vorherigen Zuschreibungen ist durch die grosse Verwandtschaft der Werke Herbergers mit denjenigen seiner Zeitgenossen Anton Sturm und Aegid Verhelst zu erklären.[6] Dies kommt nicht von ungefähr. Denn mit den beiden Bildhauern verbindet ihn eine Künstlerfreundschaft, die auch dazu führt, dass er entweder für sie arbeitet oder dass sie von den Prälaten gleichzeitig beigezogen werden. Vorbild für Herberger ist vor allem Anton Sturm. Für Wiblingen scheint Verhelst mit seinen 1742 in der Residenz Kempten erstellten allegorischen Figuren als Vorbild gedient haben. Vermutungen gehen dahin, dass sich die drei Bildhauer seit ihren Wanderjahren zwischen 1712 und 1717 kennen. Bei allen sind die Gesellenjahre nicht dokumentiert. Bei Herberger ist selbst der Lehrmeister nicht bekannt. Spekulativ vermutet sein Biograph Adolf Schal Beziehungen zum Augsburger Bildhauer Ehrgott Bernhard Bendl und zum 1713−1716 in Böhmen tätigen Franz Anton Kuen aus Bregenz.[7] Mit dem Wechsel in die Bodenseeregion trifft Herberger auf den nur wenig jüngeren Stuckateur, Stuckplastiker und Bildhauer Joseph Anton Feuchtmayer. Mit ihm hat Herberger wenig verbindendes, obwohl Feuchtmayer ihn sogar als Gutachter beizieht.[8] Feuchtmayer ist der gesuchteste Plastiker der Bodenseeregion. Mit der Arbeit in der neuen Wallfahrtskirche Birnau zeigt er seine Überlegenheit im Zusammenwirken von Stuckatur und Freiplastik. Seine expressiv körperbetonten Figuren, meist in Stuck, brechen zudem derart mit jeglicher barocker Bildtradition, dass er für Herberger keinen Vorbildcharakter mehr haben kann. Der Einfluss Feuchtmayers auf Herberger ist trotzdem in seinen Werken der Bodenseezeit spürbar, etwa bei den Halbfiguren am Altar der Schutzmantelkapelle in der Stadtpfarrkirche von Markdorf.[9] Aber zwischen den Werkstätten Feuchtmayer und Herberger liegen Welten. Während Feuchtmayer von reichen Fürstabteien seine Aufträge erhält, muss sich Herberger mit wenigen und kleinen Aufträgen im Umkreis der Fürstbischöfe, welche zu dieser Zeit über keinerlei finanzielle Ressourcen verfügen, zufrieden geben.[10] Sein Entscheid, wegen eines Hoftitels an den Bodensee zu ziehen, ist deshalb nicht zu verstehen.

Epitaph Anna Maria Rauber 1751
Immenstaad, Pfarrkirche St. Jodokus. Epitaph für Anna Maria Rauber, † 23. November 1751

Sein Nachwirken
Wenig ist über die Persönlichkeit, die Familie und die Werkstatt von Dominikus Hermengild Herberger bekannt. Lokal verwurzelt, arbeitet er selten über die Grenzen seiner jeweiligen Wohnumgebung. Sein Werdegang und seine Werke lassen einen Bildhauer vermuten, der auch nach seiner Gesellenzeit für künstlerische Anregungen des nahen Umfeldes offen ist. Er ist auch imstande, die empfangenen Formeindrücke zu variieren und sie umzuwerten und so Meisterwerke zu schaffen, die noch heute überraschen. Ausser seinem bildhauerischen Werk hat er nichts hinterlassen, keine Zeichnung und kein eigenhändiges Schriftstück, auch Schüler oder Werkstattnachfolger sind nicht bekannt. Ob der 12 Jahre jüngere Riedlinger Bildhauer Johann Joseph Christian als Schüler Herbergers bezeichnet werden darf, ist auf Grund der bisher bekannten Lebensdaten des Bildhauers von Zwiefalten und Ottobeuren eher fragwürdig.[11]

Pius Bieri 2012

Literatur: Schahl, Adolf: Dominikus Hermengild Herberger (1694−1760). Weissenhorn 1980.

Anmerkungen:

[1] Maria Viktoria Vogt (1696−1755).

[2] Dietenheim ist im 18. Jahrhundert Herrschaftssitz der Fugger von Dietenheim-Brandenburg und liegt an der Iller, sechs Stunden nördlich von Memmingen.

[3] Weiteres ist über die Nachkommenschaft nicht bekannt.

[4] Dr. David Werrer (1695−1765), Vikar und ab 1741 Pfarrer von Nasgenstadt, Kunstmäzen, erwirbt auch Werke von Ägid Verhelst und Anton Sturm. Er beginnt 1720 mit dem Kirchenumbau.

[5] Immenstaad hat bis 1779 drei Herren. Fürstenberg-Heiligenberg, die Abtei Weingarten und der Deutsche Orden besitzen je einen Drittel.

[6] Anton Sturm (1690−1757) aus Faggen im Tirol. Lehre bei Johann Paulin Tschiderer in Donauwörth. Hauptwerke in Füssen, Ottobeuren und Wies.
Egid (Aegid) Verhelst (1695−1749) aus Antwerpen, Lehre beim Vater Gillis in Antwerpen. Hofbildhauer des Augsburger Fürstbischofs und des Fürstabtes von Kempten.

[7] Ehrgott Bernhard Bendl (1660−1738) aus Pfarrkirchen. Stein- und Holzbildhauer in Augsburg mit Beziehungen zu verwandten Bendl-Werkstätten in Wien und Prag.
Franz Anton Kuen (1679−1742) aus Bregenz. Stein- und Holzbildhauer in Böhmen und im Bodenseegebiet.

[8] Joseph Anton Feuchtmayer (1696−1770) aus Linz. Lebensschwerpunkt und Werkstatt in Mimmenhausen bei Salem. Er zieht Herberger 1755 als Gutachter bei einem Streit mit den Pfarrherren von Liptingen und Oberschwandorf bei, wehrt sich aber nachher gegen dessen Änderungsvorschläge.

[9] Die Halbfiguren der hll. Joachim und Anna werden früher Feuchtmayer zugeschrieben.

[10] Franz Konrad Kasimir Ignaz Freiherr von Rodt (reg. 1750−1775) ist der Neffe des Fürstbischofs Casimir Anton von Sickingen (reg. 1743−1750). Er kommt 1756 zu Kardinalswürden und zu finanziellen Zuwendungen der Kaiserin Maria Theresia, die ihm ein Weiterbauen am Neuen Schloss erlauben.

[11] Johann Joseph Christian (1706−1777) aus Riedlingen. Der Biograph Herbergers, Adolf Schahl, vermutet in Herberger den Lehrer Christians. Eine Gesellentätigkeit Christians bei Herberger ist nicht belegt.

Link zu Pius Bieris Ausführungen mit einer Liste der Werke von Herberger

Achtung: Das Sterbedatum 1755 ist falsch angegeben, es ist das Sterbedatum seiner ersten Frau Maria Victoria Vogt, die am 12. April 1755 in Immenstaad starb.

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